Ich dachte, dass ich eine gute, kurze Erklärung gefunden habe, warum ich tue, was ich tue. Beim genaueren darüber nachdenken fällt mir allerdings auf, dass mein Gesprächspartner darüber nachdenken müsste, was die einzelnen Begriffe bedeuten könnten. Nur, dass ich kaum Leute kenne, die so weit denken (wollen). Es gibt wenige Leute, mit denen ich mich in der Tiefe unterhalten kann, die sich gerne die Zeit nehmen. Für die meisten ist ein Fünfminutengespräch lang genug. Wie geht’s? Was machst du so? Irgendwelche Pläne? Das war und ist oft das ganze Gespräch. Auf diese Art kann ich kaum von meinem Kummer erzählen, ist kein Platz für die interessante Erkenntnis. Es sei denn, dass sie auch meinem Gegenüber direkt nutzt. Muss aber alles einen praktischen Nutzen haben?
Oft scheint es so, dass sich viele nicht um ihre Mitmenschen scheren. Sie bewerten andere nur nach dem ersten Eindruck und geben einem nie die Chance, sich ganz anders darzustellen. Ich gebe mir redlich Mühe, den anderen zu verstehen. Oft wird es nicht honoriert, sondern einfach vorausgesetzt. Es wird oft erwartet, dass ich mich anpasse. Aber andere machen keine Anstalten, verstehen zu wollen, warum ich was mache. Die meisten sehen wirklich nur, was vor Augen ist.
Bist du ernsthaft körperlich krank wird plakativ herumgejammert, wie schrecklich das sei. Im nächsten Moment wird gefragt, ob das denn wieder wegginge. Wenn nein, wird man bemitleidet, wie schrecklich man es getroffen hätte. Wenn du Kummer hast, wirst du an professionelle Seelenklempner (Pfarrer, Psychologen und ähnliches) verwiesen, obwohl schlicht zuhören es schon getan hätte. Man müsste sich ja für seinen Mitmenschen Zeit nehmen, die man ja nicht hat.
Manchmal frage ich mich, wie die Leute ihre Partner gefunden und ihre Kinder großgezogen haben. Manchmal frage ich mich, wie die im Beruf zurechtkommen, wenn der vor allem aus Kundenkontakt besteht. Besonders bitter, da von meinen Bekannten die meisten in der Kirche sind. Das wollen Christen sein, wenn sich Empathie und Mitmenschlichkeit in engen Grenzen halten?
Wie können so viele Leute so oberflächlich und ohne Tiefgang durch die Gegend laufen? Ich kapier diese Gesellschaft nicht. Kapier sie nicht. Wenn sich jeder selbst der nächste ist, muss das zu einer zutiefst unmenschlichen Gesellschaft führen. Wer kann das wollen? So irrational.